Architektur und Psychoanalyse: Transparenz und Intimität

Event

Samstag 28.11.2009

Architektur und Psychoanalyse: Transparenz und Intimität

28. November 2009, 12.00 Uhr

Architektur und Psychoanalyse: Transparenz und Intimität - Symposium mit Referaten und anschliessender Podiumsdiskussion

Teilnehmende:

Stanislaus von Moos, Dozent an der Accademia di Architettura, Mendrisio und emeritierter Professor für Kunstgeschichte der Universität Zürich

Christian Kerez, Architekt, Zürich

Eva Laquièze-Waniek, Lehrbeauftragte am Institut für Philosophie der Universität Wien

Helge Mooshammer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunst und Gestaltung der TU Wien

Insa Härtel, Privatdozentin am Fachbereich Kulturwissenschaften der Universität Bremen

Das Symposium wurde organisiert in Zusammenarbeit mit dem Psychoanalytischen Seminar Zürich (www.psychoanalyse-zuerich.ch) und Hochparterre - Verlag für Architektur und Design (www.hochparterre.ch).

Transparenz und Intimität

Christian Kerez hat Wohnhäuser oder ein Schulhaus gebaut. Es ist ganz aus Glas, auch innen, und steht im Leutschenbach in Zürich. Die Frage von Öffentlichkeit und Intimität stellt sich hier ganz durchsichtig. Gegen eine solche Durchsicht werden Schutzmanöver entwickelt. Man zieht die Jalousien oder verbirgt sich hinter Lamellen. Bekannt ist auch das Phänomen, dass man sich für den unteren Teil der Glasfläche einen Sichtschutz sucht und aufstellt. Ganz offensichtlich ist es gerade für den unteren Teil von Bedeutung, geschützt zu sein, wobei es sich zweifellos um sexuelle Phantasien zu handeln scheint. Dies kann dazu führen, dass man von den dafür benutzten Objekten von aussen nur die Rückseite sieht, ganz so als ob damit auch eine Rückseite der Transparenz vorgeführt würde.

Eine andere Umkehrung, die in solchen gläsernen Bauten immer wieder auftaucht, entsteht, wenn der Tag sich zur Nacht wendet, wenn es dunkel wird. Dann blickt man von innen nicht mehr durch, sieht nicht mehr hinaus, sondern vor allem sich selbst. Und wird gesehen. Hierzu passt die Geschichte, die Slavoj Žižek erzählt: Ein Freund von ihm sah in einem benachbarten Bürohaus den Chef klassischerweise die Sekretärin vögeln. Sie waren ausgestellt und hatten ganz und gar vergessen, dass man sie sehen könnte. Der Freund rief darauf die Nummer im Büro des Chefs an und meldete sich mit den Worten: «Gott sieht alles!», worauf der Arme einen Herzinfarkt erlitt. Se non è vero, è ben trovato.

Die Frage nach Intimität und Transparenz lässt sich jedoch auch auf ganz andere Weisen stellen. Beispielsweise ausgehend von sexuell motivierten Bewegungspraxen im öffentlichen Raum oder von topisch‚ intimen Körper-Anordnungen. Solchen Wegen wird auf diesem Symposium nachgegangen. Von Interesse ist hier Helge Mooshammers Konzept des Cruising, mit dem es zunächst um die herumstreifende Suche nach (schwulen) sexuellen Kontakten geht, etwa in Parks, auf Toiletten, in Nischen:

Es geht um den Umgang, um flüchtige raumaneignende Begegnungen und Inanspruchnahmen, in denen Architektur relational und gerade nicht nur als das erscheint, was sichtbar da ist.
Von Interesse ist ebenso das Konzept der Krypta (Eva Laquièze-Waniek). Mit der Krypta als verborgener Grabstatt ist u.a. ein paradoxer Ort einer ausgeschlossenen Einschließung angespielt – eine Art irreführende Architektur oder Einnistung, die Totes und Ausgestrichenes sozusagen lebendig bewahrt (vgl. Derrida 1976). Desorientierende Irreführungen im Sinne indiskreter Erkundungswege (Insa Härtel) sind ein weiteres Stichwort dieses Symposiums im Spannungsfeld von Architektur und Psychoanalyse.