Konzert
Samstag 30.11.2024 – Sonntag 01.12.2024
UMS'nJIP - Einfalt
jeweils 19:30 Uhr
UMS'nJIP
Ulrike Mayer-Spohn, Blockflöten/Elektronik
Javier Hagen, Stimme/Elektronik
Programm:
Mathias Steinauer - Einfalt, op.33 (2019-21)
11 Lieder zu Textfragmenten von Du Fu (712-770)
und Visuals von John Lavery (1856-1941)
für Stimme/Synthesizer & Blockflöte/Projektion
Javier Hagen/JIP - eeiiuü-bccghhkknrrtz (ich bin zurückgekehrt), 2020/2022
UA der Version für Stimme, Blockflöten und Zuspielband
Text: Franz Kafka, aus: Erzählungen
Programmnotizen:
Einfalt bezeichnet eine gewisse Begrenztheit des Verstandes und Geradheit des Urteils (...). Sie kann auch als die Abwesenheit von Ziererei, falscher Rücksichtnahme, Verstellung und Unredlichkeit verstanden werden (...) (F. Kirchners Wörterbuch, 1907)
Auch unserer Spezies ist wohl nur eine begrenzte Zeit gegeben. Seit Jahrtausenden scheinen wir im Kern fast entwicklungsunfähig und stecken in den immer gleich fatalen Lebenssituationen und Sehnsüchten. Was sich ändert ist die Art und Weise wie einzelne von uns dies auszudrücken vermögen: Früchte unseres Daseins.
(M.St.)
Originalhandschriften von Du Fu gibt es keine. Das Chinesisch der Tang-Zeit klang ziemlich anders als das heutige und hatte auch andere Worttöne. Niemand liest diese Gedichte heute in der alten Aussprache. Das ist die Crux der seit über 2000 Jahren unveränderten chinesischen Schriftzeichen, die anders als etwa deutsche Handschriften des Mittelalters die Aussprache nicht festhalten, welche sich dann eben nur noch hypothetisch rekonstruieren lässt. Das moderne Chinesisch hat vier Worttöne, den ebenen, steigenden, fallenden und den tiefen. Die heutigen Töne stimmen aber nicht mit jenen der Tang-Zeit überein. Rhythmisch ist das Chinesische als monosyllabische Sprache im Vergleich zu europäischen Sprachen eher monoton.
(Raffael Keller, 2019)
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“...dieses weisse Papier, das kein Ende nehmen will, brennt einem die Augen aus und darum schreibt man."
Franz Kafka, Brief an Milena Jesenská vom 31. Mai 1920
eeiiuü-bccghhkknrrtz (ich bin zurückgekehrt) ist eine Vertonung von verschiedenen Kurzgeschichten Franz Kafkas für Stimme, Blockflöte und Zuspielband. Das Werk ist modular und multiperspektivisch, analog zu den Texten Kafkas, angelegt. Die Klangereignisse live und ab Band verhalten sich wie Objekte, deren Präsenz im Raum sich erst über die Zeit erschliessen lassen. Diese Objekte sind leise, einzelne Klangcluster (für die Vertikale) oder Melodielinien (für die Horizontale), sich entwickelnd oder ins Leere verebbend - einer Versuchskonstellation gleichend, metaphorisch für die in den vertonten Texten Kafkas ausgesprochenen, vergeblichen Wünsche.
Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Flur durchschritten und blicke mich um. Es ist meines Vaters alter Hof. Die Pfütze in der Mitte. Altes, unbrauchbares Gerät, ineinander verfahren, verstellt den Weg zur Bodentreppe. Die Katze lauert auf dem Geländer. Ein zerrissenes Tuch, einmal im Spiel um eine Stange gewunden, hebt sich im Wind. Ich bin angekommen. Wer wird mich empfangen? Wer wartet hinter der Tür der Küche? Rauch kommt aus dem Schornstein, der Kaffee zum Abendessen wird gekocht. Ist dir heimlich, fühlst du dich zu Hause? Ich weiß es nicht, ich bin sehr unsicher. Meines Vaters Haus ist es, aber kalt steht Stück neben Stück, als wäre jedes mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, die ich teils vergessen habe, teils niemals kannte. Was kann ich ihnen nützen, was bin ich ihnen und sei ich auch des Vaters, des alten Landwirts Sohn. Und ich wage nicht an die Küchentür zu klopfen, nur von der Ferne horche ich, nur von der Ferne horche ich stehend, nicht so, dass ich als Horcher überrascht werden könnte. Und weil ich von der Ferne horche, erhorche ich nichts, nur einen leichten Uhrenschlag höre ich oder glaube ihn vielleicht nur zu hören, herüber aus den Kindertagen. Was sonst in der Küche geschieht, ist das Geheimnis der dort Sitzenden, das sie vor mir wahren. Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man. Wie wäre es, wenn jetzt jemand die Tür öffnete und mich etwas fragte. Wäre ich dann nicht selbst wie einer, der sein Geheimnis wahren will. (Franz Kafka, aus: Erzählungen, entstanden zwischen Nov 1923 - Jan 1924)
Wunsch, Indianer zu werden - Wenn man doch ein Indianer wäre, gleich bereit, und auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer wieder kurz erzitterte über dem zitternden Boden, bis man die Sporen ließ, denn es gab keine Sporen, bis man die Zügel wegwarf, denn es gab keine Zügel, und kaum das Land vor sich als glatt gemähte Heide sah, schon ohne Pferdehals und Pferdekopf. (Franz Kafka, aus: Erzählungen, handschriftlich nicht überliefert, keine Anhaltspunkte zur Datierung gegeben, Erscheinungsdatum 1912)
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UMS ´n JIP und das Kunstlied. Über 300 Auftragswerke und 1400 Konzerte in über 40 Ländern haben UMS 'n JIP seit 2007 hinter sich und dabei einzelne Werke - und dies ist in der Neuen Musik weltweit beinahe einmalig - über 100 Mal gespielt. Parallel zu ihrer Arbeit als Interpreten sind sie auch als KomponistInnen tätig und wurden für ihre Werke 35 Male international ausgezeichnet. In ihrer Arbeit hinterfragen sie immer wieder klassische Gattungen - in diesem Fall das Kunstlied. Die dem Kunstlied innewohnende Raffinesse auf kompositorischer wie textlicher Ebene ist eine besondere Herausforderung. Die persönliche Affinität und Anlage des Duos (Stimme, Blockflöten und Elektronik) bieten ein reizvolles Terrain für eine ganz besondere Annäherung an eine Gattung, welche wie kaum eine andere eine Symbiose von Text und Musik zu erreichen wusste.
Infos UMS `n JIP:
http://umsnjip.ch/
https://de.wikipedia.org/wiki/UMS_'n_JIP
https://youtu.be/lBhiGttDM2Y (Ensemblepräsentation)
https://www.youtube.com/@umsnjip/playlists (YT Playlist)
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Eintritt: frei, Kollekte